Ab sofort wird hier auch eine Geschichte

aus dem Plattdeutschen zu finden sein!

Wie der Baron den Likörreisenden foppte 

Selten nahm der Baron Geld in der Tasche mit. Er schrieb nur einen Bon für die Rentei, und der Rentmeister zahlte. So reiste er wie ein Krösus im Lande umher, und da jeder seine Schnurren kannte und sein Kredit ›wie Münster fest‹ gegründet war, ging er überall glatt durch. Eines Tages aß er bei Vater Sieverding in Hiltrup hinterm Wirts-hause, wo der schöne alte Baum steht und seine Zweige über den Tisch breitet. »Hier bleib ich, bis meine Bartspitzen um die Linde wachsen – noch eine Flasche, he!« Da fuhrwerkte ein Likör- und Weinreisender aus Telgte herein und gedachte, sich bei einem Speckpfannekuchen mit Kopfsalat gütlich zu tun. Schon auf dem Steinpatt hatte der Baron sein lärmendes Wesen gehört und beschloß, ihn zu ignorieren. Aber der Mensch saß bald neben ihm, strüppte die Röllchen über die fleischigen Hände ab, setzte sie vorsichtig wie Lampenzylinder auf den Tisch und rieb mit dem Taschentuch die dampfende Stirn:
»Erlauben Sie – woher mag diese Hitze kommen –?« Der Baron trommelte die Tischplatte und sah geradeaus. Der Reisende öffnete noch ein Kragenende, daß es wie ein Span abstand vom dicken Hals und gurgelte lauter: »Man sollt' die Hitz nicht für möglich halten.« Bomberg sah stracks vorbei auf den Hühnerhof und erinnerte sich, kürzlich von Landois gehört zu haben, wie ein Ei entstand: Während zwei Stunden unablässig langsam drehend, unter langsamen Dre-hungen in vierundzwanzig Stunden wächst die ovale Form, und dach-te: Putzig, wieviel Eier mögen sich da in dem Hühnerhintern drehen? und lächelte. Der Reisende faßte dies als Ironie auf und blähte sich erbost: »Man hat's wirklich nicht leicht, bei diesen Wirten hier im Lande herumzufahren – schlechtes Geschäft!«
Der Baron lachte plötzlich laut auf.
Der Reisende schrie: »Wenn ich Sie geniere, setze ich mich anders-wo – erlauben Sie, mein Name ist nämlich Möbstig!«
»Lieber Mann, ich stelle mir nur vor, welch ein Gefühl es für Sie wäre, wenn sich in Ihrem dicken Hinterviertel zwei Schock Eier drehten!«
Jetzt war es klar, daß hier wohl ein Irrer rede, der Reiseonkel machte eine mitleidige Miene und schwieg beklommen. Am Ende würde der Irre auch noch gewalttätig über ihn herfallen!
Schon fragte der Baron den alten Sieverding: »Was hab' ich zu zah-len?« Der Wirt nannte die Summe. Der Baron steckte sich erst mit ei-nem Tausendmarkschein die Zigarre an, riß dann aus seinem Notiz-buch eine Seite und schrieb den Bon und ging.
»Erlauben Sie, Wirt, was ist das für ein Kauz? Zahlt der mit Notizblät-tern?«
»Lassen Se den man laufen, der nimmt Ihnen für 'n Bon das ganze Geschäft ab samt Pferd und Wagen und die Firma dazu, wenn er in Laune ist! Das ist ja der tolle Bomberg!«
»Mit dem wird jetzt kein Geschäft mehr zu machen sein«, bedauerte der Reiseonkel.
»Der trägt nichts nach! Tun Sie harmlos, er ist jetzt in Albersloh auf der Kirmes!«
Die lockende Aussicht, an diesen übergeschnappten Sonderling die ganze Ladung Likör auf einmal loszuschlagen, ließ ihn noch selbiger Stunde anspannen und gen Albersloh eilen. Bald traf er bei einem be-kannten Wirt den Baron unter einem Haufen Kirmesbrüder. Er schlängelte sich mit lärmender Lustigkeit heran, als erkenne er den Baron nicht: »Meine Herren, erlauben Sie, die Gelegenheit ist günstig – mein Wagen hält vor der Tür – ich spendier' drei Pullen Likör, dazu zwei Pullen alten Münsterländer! Wat helpt dat schlechte Liäwen?« Also gin-gen Schnapsgläschen gleich in der Runde und wurden mit spitzen Fingern so lange gekippt, gewippt, daß die Fidelität stieg, und der Baron sagte: »Na, auf ein paar Flaschen können wir zehn Mann nicht ba-lancieren – geben Sie noch eine Runde?« Der Reiseonkel, sauersüß seine Rechnung überschlagend, dachte: Sei splendid, Möbstig, soll die erste Runde nicht verloren sein, muß die zweite folgen – und hofierte mit geheucheltem Edelsinn schließlich auch noch das Gesinde, die übrigen Gäste und den Wirt. Jedes aufsteigende Bedenken er-stickte die Beruhigung: »Der Baron läßt sich gewiß nicht lumpen!« Der Leichtsinn des Schenkens kam mit dem Trunk über ihn, und er verteil-te schließlich mit vollen Armen aus dem Schlund des Likörwagens. Der Baron animierte noch immer wacker, und Möbstig war unerschöpflich wie der gute Sankt Nikolaus auf der Dorfkirmes! Aber als der Vor-rat zur Neige ging, überkam ihn plötzlich Ernüchterung, er überschlug den Schaden so auf gute zweihundert Taler, fuhr vor Schrecken her-um und keuchte: »Herr Baron, nu wird's aber Zeit, daß Se bald mit 'nem Bong 'rausrücken!«
»Natürlich –!« dampfte dieser – »Was kostet der ganze Krempel?« Der Dicke rieb die fleischigen Hände, schlug noch schnell ein Profit-chen zu und strahlte: »Mit dem, was noch drinsteckt, dreihundert-sechsundfünfzig Taler!« – »Mensch, Mann, Seele, Herr – ich will den ganzen Krempel, wie er dasteht – mit allem, was drauf und dran hängt – die ganze Karriole!« Ein Bäuerlein schrie: »Met dat magere Piärd is de Kaorn tosammen 'n Gröshen wärt!« Der Dicke fuhr herum: »Aber erlauben Sie!« Schon schlug der Baron ein: »Topp – mit allem Anhängsel viertausend Taler!« – »Viktoria!« jauchzte der Reiseonkel, und der Baron schrieb einen Bon über die Summe: »Kaufpreis für Wagen, Inhalt und gesamten Zubehör!«
Jetzt mußte natürlich der Rest verpulvert werden und der Reisende kannte keine Grenze seiner Großmütigkeit. Das Ende war, daß er ha-gelkreuzbombenvoll vom Stuhl fiel und der Baron sagte: »Ich will ihn heimfahren –« worauf man umständlich den Koloß in den Likörwagen schob, leere Flaschen drauf häufte, den Kasten hinten fest zuschloß, daß er nicht herauspolterte.
Der Baron bestieg den Bock und fuhr sein Opfer mit Hallo von der Kirmes fort.
Auf Bullbergen wurde der Wagen zu den anderen in die Remise ver-staut, und auch Bomberg suchte sein Bett auf, selber wankend und schwankend. – Am folgenden Mittag erwachte der splendide Reiseonkel in der Düsterheit seines engen Gefängnisses und begann zu rumoren unter den klirrenden Pullen. Er trommelte vergebens mit den Fäusten. Schachmatt und hundsmiserabel schnarchte er wieder ein, und am späten Abend klopfte der Baron beim Delinquenten an: »He – Mann, schon nüchtern?« – »Ich verklage Sie, ich vergreife mich an Ihnen – lassen Sie mich 'raus!« – »Ta gueula – halt die Schnauze!« rief der Baron. – »Aber erlauben Sie!« tönte es aus dem Kasten und die Flaschen klirrten, als erhöbe sich darin ein Mastodon aus einem Scherbenhügel. »Ich hab' den ganzen Wagen gekauft, mit allem, was drauf und dran hängt, und Sie gehören mit zum Inventar!« – »Das ist Betrug, das ist Übervorteilung!« – »Ich hab's schriftlich von Ihnen!« – »Und die Blamage –« – »Wird noch viel größer durch Ihren Prozeß – aber vorläufig füttere ich Sie noch ein paar Wochen wie einen wilden Köter im Hundeloch!« Das fuhr dem Dicken doch durch Mark und Bein, er mußte wahrhaftig jetzt aufs Tollste vorbereitet sein und somit legt er sich vom Drohen aufs Bitten: »Na – annullieren wir den Kauf –« gab der Baron nach, »rücken Sie mir erst den Bon 'raus!« Nach eini-gem Zögern seufzte es drinnen: »Gut.« Der durch eigene Profitsucht Geplünderte fuhr belämmert auf Niewiedersehen davon: »Wahrhaftig – dieser Mann ist mit zehntausend Hexenmeistern zur Schule gegangen!«

Hier dürfen Sie nach Herzenslust Ihren Seelenfrust ab lassen. Die Nachricht wird mich auf jeden Fall erreichen,

aber antworten tue ich nur, wenn ich Lust habe.
Und das habe ich fast immer

 

 


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